Preisverleihung: Berliner Stückepreis für junges Publikum

Zum ersten Mal wird 2024 der Berliner Stückepreis für junges Publikum vergeben. Der mit 10.000 Euro dotierte Preis des Landes Berlin umfasst eine Uraufführung am Theater an der Parkaue. Ausgezeichnet wird ein Theaterstück für junges Publikum, das sich mit neuen Erzwählweisen und bislang ungehörten Geschichten auseinandersetzt. Im Fokus stehen dabei Fragen wie: Welche Geschichten fehlen noch auf den Bühnen für junges Publikum? Welche Perspektiven einer jungen, vielstimmigen Generation kommen bisher zu kurz?

Der Gewinnertext wurde in einem zweistufigen Verfahren ausgewählt. Die Nominierungsjury bestehend aus den Autor*innen und Regisseur*innen Antigone Akgün, Reihaneh Youzbashi Dizaji und Sergej Gößner, haben aus über 100 Einsendungen eine Shortlist von fünf Texten nominiert. Im zweiten Schritt wurde die Jury um die Autorin und leitende Dramaturgin des Theaters an der Parkaue Matin Soofipour Omam sowie um Martha Heinze und Milena Emili Ignatevosyan, zwei Jugendliche aus dem Dramaclub des Theaters an der Parkaue, erweitert.

Rund um die Vergabe des Berliner Stückepreis gibt es ein vielfältiges Programm: Ein Tag, der sich zeitgenössischen Autor*innen und dem Schreiben für junges Publikum widmet. Es werden Ausschnitte der fünf nominierten Texte in szenischen Lesungen präsentiert, die im Rahmen einer Kooperation von Regiestudierenden der Hochschule Ernst Busch eingerichtet werden. Zwischen den Lesungen wird Dr. Azadeh Sharifi, Autorin und Gastprofessorin für Theaterwissenschaft an der FU Berlin, eine Keynote zum Schreiben für junges Publikum halten. In der Pause wird es außerdem im Foyer die Möglichkeit geben, mit Theaterverlagen ins Gespräch zu kommen. Innerhalb der feierlichen Preisverleihung wird dann der Gewinnertext bekannt gegeben und der Preis übergeben.

Der „Berliner Stückepreis für junges Publikum“ ist ein Preis des Landes Berlin und wird im Auftrag der Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt vom Theater an der Parkaue ausgelobt. Das Rahmenprogramm und die Preisverleihung werden gefördert von der Heinz und Heide Dürr Stiftung.

Termine

Aktuell keine Termine

Programm

15:00 · Bühne 3

Begrüßung mit Intendantin Christina Schulz und Leitender Dramaturgin Matin Soofipour Omam

Szenische Lesungen und Autor*innengespräche
„Wandertag“ (11+) von Juli Mahid Carly-Hossain
„Mosaik“ (12+) von Silvan Rechsteiner
„großes Wasser große Reise“ (10+) von Anah Filou

16:45 · Bühne 1 Garderobenfoyer

Foyer Talks und Pause
Mit Key Note von Azadeh Sharifi, Vernetzungsmöglichkeiten mit Theaterverlagen, Dramaturg*innen und Kunstuniversitäten
Die Bar ist für Kaffee und Kuchen geöffnet

18:30 · Bühne 2

Szenische Lesungen und Autor*innengespräche
„mondpark“ (14+) von Johannes Hoffmann
„16 GB: Tischtennisplattenpolitik“ (14+) von Zehra Sönmez

19:30 · Bühne 3 Atrium

Pause

20:00 · Bühne 2

Feierliche Preisverleihung
im Anschluss Party

Die nominierten Autor*innen

Juli Mahid Carly-Hossain

Foto: Juli Mahid Carly-Hossain
Juli Mahid Carly-Hossain, geb. 1997 in Baunatal, schloss 2022 den Bachelor in Theaterregie an der Akademie für Darstellende Kunst Baden-Württemberg ab, wo Juli u. a. ein Auslandssemester in Pune, Indien absolvierte. Sie gewann mit dem Dokumentarfilm „Weissabgleich“ einen Preis beim Bundesfestival Junger Film in Rostock, und mit dem Stück „Verbindungsfehler“ den Osnabrücker Dramatiker*innenpreis. Seit 2019 tourt er mit der Performance-Show „Juli Monsun: Back from Bollywood“ und arbeitet an verschiedenen Theatern im deutschsprachigen Raum. Außerdem engagiert Juli sich als stellvertretende*r Vorsitzende*r des Vereins Studio Lev in Kassel und erhielt 2023 das Nachwuchsstipendium für Literatur der Jürgen-Ponto-Stiftung.

Wandertag

Der Wandertag vor den Sommerferien steht an. Die Klasse darf abstimmen, wohin es geht. Auf der Vorschlagsliste steht: das Freibad, Schlittschuhlaufen, Studio Babelsberg, der Nordpol und der Himalaya. Am Ende entscheidet Frau Meyer Riebensehl doch, dass es wie alle Jahre zuvor in den Stadtpark geht. Ist einfach am einfachsten. Zumindest dürfen sich alle ein Eis kaufen. Doch dann ist in der Eisdiele plötzlich das Eis leer. Die seltsame Eisverkäuferin Stracciatella ist verzweifelt. Sie hat die geheime Rezeptur verloren! Eigentlich ist sie nämlich „Eiskremkönigin“ und verantwortlich für all das Eis auf der Welt. Und so macht sie sich auf den Weg durch die Kühltruhe zum Spaghetti-Eisberg und nimmt die Kinder kurzerhand mit. Eine Abenteuerreise beginnt und führt schließlich doch über den Nordpol zum Himmel jaja.

Juli Mahid Carly-Hossains Stück ist ein magisches Abenteuer durch Zeit und Raum, bei dem sich ein Ausflug mit der Klasse zum Eisessen in einen wild-komischen Trip verwandelt. Im Mittelpunkt stehen die Kinder einer Klasse, die durch die gemeinsame Reise als Gruppe zusammenwachsen. Dabei werden spielerisch die Themen Klimawandel und Solidarität verhandelt und mit den diversen Lebensrealitäten der Kinder verknüpft.

Anah Filou

Foto: LA GEORGETTA
Anah Filou, geb. 1989, lebt in Wien und studierte Philosophie, Kunstwissenschaft, Szenisches Schreiben und Performative Kunst. Als freie Kritikerin schrieb sie zum Beispiel für Theater der Zeit. Ihre Essays und Dramen wurden in Publikationen wie Bella Triste veröffentlicht, an Häusern wie TheaterGrueneSosse Frankfurt und den Vereinigten Bühnen Bozen aufgeführt. 2020 und 2023 wurde sie für den Kinderstücke-Preis der Mülheimer Theatertage nominiert und 2023 für ihre kontinuierliche künstlerische Zusammenarbeit mit dem Hessischen Landestheater Marburg mit dem Dr. Otto Kasten-Preis ausgezeichnet.

großes Wasser große Reise

Kennt ihr das Piratische Zusammengehörigkeitsgefühl? Nein? Das könnte daran liegen, dass all die Geschichten der Piratinnen auf hoher See mit Korsetts zugeschnürt sind und die Frauen ja sowieso in Männerkostümen stecken. Also wir müssen uns das mit der Piraterie so vorstellen: Am Anfang war die Welt. Planet Erde. Und das Internet. Urviel Platz. Real und digital. Aber irgendwann haben die Menschen angefangen, die Erde unter sich aufzuteilen. Und die bestimmten, wer die Hosen anhat, bestimmten, dass nicht alle Freiheit dieselbe Freiheit ist. Doch die Jolly Roger Crew bricht auf. Auf der Rainbow Warrior, dem ehemaligen Flaggschiff der Umweltschutz-NGO-Greenpeace-Flotte, geht es los. Zu einer Mission, bei der stilvoll-radikal Wale gerettet werden und das System gestürzt wird?

Anah Filou schafft eine empowernde Gegenerzählung zu den typischen Seefahrergeschichten, bei der Schwesternschaft und Widerstand tradierte männliche Motive ablösen. Sie widmet sich den nicht überlieferten Geschichten von Piratinnen, macht diese sichtbar und setzt sich kritisch und gleichzeitig humorvoll mit Themen wie Freiheit, Eigentum und Kolonialismus auseinander.

Johannes Hoffmann

Foto: Magda Decker
Johannes Hoffmann, geb. 1981 in Graz, ist Autor, Schauspieler und transdisziplinärer Künstler. Er studierte Schauspiel an der MUK Wien, Szenisches Schreiben in Graz und Transdisziplinarität in Zürich. Seine Stücke wurden u. a. am Burgtheater Wien und Staatstheater Mainz inszeniert. Ausgezeichnet wurde er 2021 mit dem Retzhofer Dramapreis und 2022 mit dem DKV-Förderpreis der ZHDK Zürich. Weitere Förderungen erhielt er u. a. von der Stadt Graz und Pro Helvetia Schweiz. Hoffmann, vertreten durch den Berliner Theaterverlag Felix-Bloch-Erben, erhielt 2023 das Große Kunststipendium für Darstellende Kunst des Landes Burgenland.

mondpark

In einem Haus mit mehreren Etagen leben Moritz und Jonas. Sie sind in der mittleren Etage. Dort ist es kalt und vom Kuchen bleiben immer nur die Krümmel übrig. Denn die in der oberen Etage feiern immer lautstark und essen den ganzen Kuchen auf. Aber es ist immer noch besser als unten. Die unten bekommen gar nichts vom Kuchen ab, und dort ist es noch viel kälter. Moritz und Jonas waren vorher auch mal unten. Und dahin wollen sie auf keinen Fall zurück. Sie hoffen, dass sie es sich irgendwann auch verdient haben in die obere Etage zu kommen. Aber der Mond aus Marzipan scheint unerreichbar, egal wie hoch man die Hände streckt, man wird sich nie ein Stück abbrechen können. Bis eines Tages im Speisesaal ein Mädchen von unten Moritz heimlich einen Zettel zusteckt. Sie ruft zur Revolte auf!

In knappen verdichteten Sätzen zeichnet der Text von Johannes Hoffmann mit der Metapher des Hauses ein poetisches Bild für den real stattfindenden Klassismus unserer Gesellschaft. Mit wenigen, fein charakterisierten Figuren kreiert er eine formstarke Versuchsanordnung, um die Möglichkeiten von Revolution und Veränderung auszuloten.

Silvan Rechsteiner

Foto: S. Teuwissen
Silvan Rechsteiner, geb. 1994 in Basel, studiert Szenisches Schreiben an der Universität der Künste Berlin und dramatisches Schreiben in Zürich bei Stephan Teuwissen. Seine Stücke erscheinen beim Rowohlt Theater Verlag und wurden u. a. am Theater Basel, TD Berlin und im Literaturhaus Wien gezeigt. 2023/24 war er Hausautor am Theater Basel und ist 2024 mit „Mosaik“ auch für den Deutschen Jugendtheaterpreis nominiert. Seine Auftragsarbeit „Erna“ wurde 2023 am Theater Public des Theater Basel uraufgeführt. 2025 folgen die Premieren seiner Stücke „Wer bremst, bleibt“ am Theater Basel und „All das Nichts?“ am Theater Winterthur.

Mosaik

Silas träumt von lila Badeanzügen mit Schmetterlingen. Die Welt ist bunt und formbar. In dieser Welt fühlt Silas sich ganz bei sich, auch wenn das Umfeld häufig mit Unverständnis reagiert. Als Silas acht Jahre alt ist, stirbt die Mutter. Die Trauer und die Hilflosigkeit des Vaters bestimmen fortan Silas‘ Aufwachsen. Immer öfter eckt Silas an, gilt als „weich“, als „mädchenhaft“. Denn Silas schminkt sich lieber, statt sich auf dem Schulhof mit den anderen Jungs zu prügeln. Die äußeren wie inneren Verletzungen versucht Silas so gut es geht vor dem Vater zu verstecken – der soll sich keine Sorgen machen. Und dann ist da noch Carla, die erste Jugendliebe, die Silas vor den anderen in Schutz nimmt und Mut macht und dann doch, als der Druck von außen zunimmt, an ihre Grenzen kommt.

Silvan Rechsteiners Text ist eine starke poetische Coming-of-Age-Geschichte über Rollen- und Familienbilder, erste Liebe und Mobbing. In 15 kurzen Szenen, 15 Steine eines Mosaiks, entfaltet sich die Biografie eines jungen Menschen, der zum Außenseiter gemacht wird, da er in keine Schublade zu passen scheint – ein Text, der alle Schubladen in Frage stellt und die Frage nach dem persönlichen Glück jenseits von Zuschreibungen ins Zentrum rückt.

Zehra Sönmez

Foto: Dominika Ryjak
Zehra Sönmez, geb. 2002, ist Künstlerin, Autorin und Dramaturgin. Sie studiert Kunst, Germanistik und Bildungswissenschaft an der Technischen Universität Dortmund und parallel Design und Kommunikationsdesign an der FH Dortmund. Seit 2022 ist sie in verschiedenen Bereichen am Schauspiel Dortmund tätig, wo sie unter anderem bei Hannah Saar in der Dramaturgie hospitierte. 2023 arbeitete sie als Dramaturgin und Autorin im Abschlussstück von Melanie Geldner an der Folkwang Universität der Künste mit. Zuletzt unterstützte sie Emel Aydoğdu als Regiehospitantin im Studio Я am Maxim Gorki Theater Berlin.

16 GB: Tischtennisplattenpolitik

Weiche Hände schreiben, lesen, malen und vergleichen die Nummer auf ihrem Ticket mit denen der Sessel im Publikumssaal. Sie wissen, worum es geht, wenn sie Kleist, Wagner, Lessing oder Goethe auf den Programmheften der Theater lesen. Raue Hände hingegen bauen Hausfassaden, arbeiten in Bergwerken, schuften. Raue Hände wissen auch, worum es im Theater geht: Nicht um sie. Wer ist das deutsche „Wir"? Und wer ist Teil davon? Diese Strukturkritik wird ausgehandelt auf der Tischtennisplatte. Für manche nur ein Stück Beton. Für andere ein Ort des Zusammenfindens. Hier werden Filme gedreht, Stücke, Deutschraptexte und Entschuldigungsbriefe für die Schule geschrieben. Auf dieser Platte wird gefeiert, gelacht, geweint und diskutiert. Auf dieser Platte aus Beton. Und hier wird gearbeitet. Mit rauen Händen.

Zehra Sönmez kraftvoller Text erschafft einen Assoziationsraum, in dem immer neue Blicke auf (post)migrantische Geschichten geworfen werden, die bis heute wenig Würdigung finden. Mit direktem Ton arbeitet sie sich an der Frage nach Zugehörigkeit, Identität und vorherrschenden Narrativen der sogenannten Mehrheitsgesellschaft ab und hält dem einen Spiegel vor.